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Menschrettung aus KFZ - Standardisierte Traumaversorgung

Einleitung

Bei der Rettung Verunglückter ist Teamarbeit gefragt – das Einsatzstichwort „Menschenrettung“ erfordert ein enges Zusammenspiel von Feuerwehr und Rettungsdienst. Für die Einsatzorganisationen bedeutet dies, die Arbeits- und Vorgansweise des jeweiligen Partners zu kennen, um hier eine bestmögliche Ergänzung zwischen technischer und medizinischer Rettung zu erzielen.

Verkehrsunfälle mit eingeklemmten Personen fordern Feuerwehr und Rettungsdienst in besonderem Maße, da

  • hier oft unter Zeitdruck gearbeitet werden muss
  • die Verformung des Fahrzeuges die Statik „unkalkulierbar“ verändert
  • meist Platzmangel herrscht
  • die Befreiung der Verunglückten eine enge Zusammenarbeit zwischen der technischen und medizinischen Rettung erfordert



Schwere Verletzungen sind auch in Österreich in der Gruppe der unter 40 jährigen die Todesursache Nummer 1. Dies hat massive sozioökonomische Auswirkungen.

Im Jahr 2007 starben in Österreich 2.552 Menschen an einem Trauma. 27 % der tödlichen Unfälle entfallen dabei auf Verkehrsunfälle – Kraftfahrzeugunfälle sind bei Männern zwischen 15 und 59 Jahren nach wie vor die häufigste Unfallart.

Grafik - Diagramm tödliche Verkehrsunfälle 2007 nach Bundesländern

Bgld Ktn Sbg Stmk Tirol Vbg Wien Gesamt
34 52 175 148 49 405 46 18 75 702

13.619 Menschen mussten 2006 wegen eines Verkehrsunfalls stationär behandelt werden – das ergab insgesamt mehr als 109.000 Spitalstage.

Weshalb führt die plötzliche Beschleunigung oder das abrupte Bremsen zu Verletzungen bei einer Person?

Von 0 auf 100 – von 100 auf 0! Die kinetische Energie der Bewegung muss absorbiert werden und die Absorption dieser Energie bildet den Ursprung der Verletzung. Dabei kommt das erste Bewegungsgesetz von Isaac Newton zum Tragen: „Ein in Bewegung befindlicher Körper bleibt so lange in Bewegung, bis eine äußere Kraft auf ihn einwirkt.“

Ein Unfall – mehrere Kollisionen Bei Fahrzeugunfällen mit abrupter Abbremsung kommt es nacheinander zu drei Kollisionen:

- Fahrzeugkollision: Das Fahrzeug kollidiert mit einem Objekt oder einem anderen Fahrzeug.
- Körperkollision: Der nicht angeschanllte Insasse kollidiert mit dem Innenraum des Fahrzeuges.
- Organkollision: Die Organe des Insassens stoßen zusammen und kollidieren mit der Wand die sie umgibt.

Sekundär Kollision:

Frei bewegliche Objekte (Bücher, Taschen, Gepäck und auch andere nicht angegurtete Personen) können bei abrupter Abbremsung zu Geschossen werden die anderen Insassen verletzen.


Hier ein Beispiel:

Ein PKW ist frontal mit 70 km/h gegen einen Baum geprallt. Der Baum stoppt das Fahrzeug sofort, die Bewegungsenergie des Fahrzeuges wird dabei in Verformungsenergie umgewandelt. Diese Energieumwandlung wird durch die Beschädigung an Fahrzeug und Baum sichtbar.



Die Person in dem Fahrzeug bewegt sich aber immer noch mit etwa 70 km/h und wird erst gestoppt, wenn sie mit Teilen des jetzt schon stehenden Fahrzeugs kollidiert. Idealerweise ist dies der Gurt, es kann aber auch des Lenkrad, das Armaturenbrett oder die Frontscheibe sein. Auch bei dieser Kollision wird wiederum die Bewegungsenergie in Verformungsenergie umgewandelt.










Diese wirkt innerhalb der Person und an den getroffenen Oberflächen. Die Organe der nun gestoppten Person bewegen sich jedoch ebenfalls mit einer Geschwindigkeit von 70 km/h, bis sie auf ein Objekt treffen. Das kann die Innenseite des knöchernen Schädels oder zum Beispiel das Brustbein sein.

Standardisierte Traumaversorgung nun auch in Österreich eingeführt.

PHTLS – Pre Hospital Trauma Life Support
ITLS – International Trauma Life Support

Zwei weltweit etablierte und international anerkannte Programme zur standardisierten Versorgung schwerverletzter Patienten wurden nun auch in Österreich eingeführt.

ITLS (International Trauma Life Support) und PHTLS (Pre Hospital Trauma Life Support) haben es sich zur Aufgabe gemacht, weltweit die rettungsdienstliche Versorgung von verletzten Menschen durch eine Verbesserung und Standardisierung der Ausbildung des Rettungsdienst- und Feuerwehrpersonals zu optimieren. Ziel ist es, die Sterblichkeit und den Grad der Behinderung von Traumapatienten zu reduzieren.

Richtiges Zeitmanagement...

Das richtige Zeitmanagement spielt in der Versorgung von Traumapatienten eine wesentliche Rolle und stellt daher auch einen der fünf Eckpfeiler des ITLS Konzeptes dar. ITLS und PHTLS folgen dem Konzept der „Goldenen Stunde“, das Dr. A. Cowley Ende der sechziger Jahre postuliert hat. Wenn diese Stunde in ihre einzelnen Abschnitte aufgeteilt wird, ist schnell ersichtlich, dass dem präklinischen Personal für eine Rettung und Behandlung nur relativ wenig Zeit bleibt.

ITLS Trauma Algorithmus

Neben dem richtigen Zeitmanagement, ist es wichtig den Patienten in einer logischen, strukturierten Art und Weise einzuschätzen und zu behandeln. Nur so können wir sicherstellen keine kritischen Zeichen und Symptome zu übersehen oder die Durchführung lebensrettender Maßnahmen zu versäumen.

Für die Feuerwehren ist vor allem der Primary Survey – die Beurteilung der Einsatzstelle, der Ersteindruck und die Entscheidung und Durchführung einer „Schnellen Rettung - Rapid Extrication“ von Bedeutung.

Ersteinschätzung der Einsatzstelle

Dies ist ein sehr zentraler und wichtiger Punkt, denn er trägt wesentlich zum Erfolg oder aber bei falscher oder unterlassener Einschätzung auch zum Scheitern des Einsatzes bei.

Persönliche Schutzausrüstung - Schutz vor der Übertragung von Infektionskrankheiten:

Achten Sie auf die Vollständigkeit ihrer persönlichen Schutzausrüstung – langärmelige Schutzbekleidung, das heißt tragen Sie auch im Sommer ihre Schutzjacke, Helme mit Visier oder eine Schutzbrille, geeignete Feuerwehrhandschuhe und darunter Einmal-Latexhandschuhe als Infektionsschutz.

Bei der technischen Rettung kann es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen zu Gefährdung durch herumliegende Splitter und scharfe Kanten kommen. Dies gilt ganz besonders für den Retter im Inneren des Fahrzeuges. Werden nur Einmal-Latexhandschuhe getragen, können Splitter leicht zu Verletzungen führen und bergen ein erhöhtes Infektionsrisiko.

Sicherheit an der Einsatzstelle:

Achten Sie bereits bei der Anfahrt auf mögliche Gefahren und beurteilen Sie ob die Einsatzstelle für Sie, ihr Team und den Patienten sicher ist. Sichern Sie die Einsatzstelle gemäß den Richtlinien des NÖLFV ab.

Patientenzahl:

Stellen Sie bei der ersten Lageerkundung die Anzahl der Patienten fest. Auch augenscheinlich unverletzte Unfallbeteiligte werden hier als Patient erfasst. Sollte der Rettungsdienst noch nicht vor Ort sein setzen Sie ein Rückmeldung an die Rettungsleitstelle ab. Untersuchen Sie die Einsatzstelle sorgfältig nach weiteren Patienten, besonders bei Nacht und schlechter Sicht.

Weitere Einsatzkräfte oder Ausrüstung erforderlich:

Benötigen Sie zur Rettung spezielles Einsatzgerät so alarmieren Sie dies frühzeitig nach. Achten Sie bereits bei der Erstellung der Alarmpläne beim Einsatzstichwort „Person in Notlage“ auf eine ausreichende Einsatzreserve. Ist der Rettungsdienst noch nicht vor Ort, so bringen Sie ihr Material zur Patientenversorgung an die Einsatzstelle.

Empfohlenes Material für Feuerwehren:
*Spineboard mit Gurten und Kopffixierung
*HWS Schiene (Stifneck)
*Notfalltasche (Taschenbeatmungsmaske oder Beatmungsbeutel, Sauerstoff – je nach Ausbildungsstand und lokalen Protokollen, Material zum stillen starker Blutungen)

Verletzungsmechanismus:

Das Rettungsdienstpersonal beurteilt hier noch den Verletzungsmechanismus und unterscheidet in einen generalisierten oder lokalen Verletzungsmechanismus unter Einbeziehung der Unfallkinematik.

Ersteinschätzung:

In einer ersten, nicht länger als 15 Sekunden dauernden Untersuchungssequenz wird der Patient gemäß der Frage beurteilt, ob es sich in einem kritischen oder nicht kritischen Zustand befindet. Bestandteil dieses Ersteindrucks ist neben der Bewusstseinskontrolle die Beurteilung von Atmung und Kreislaufsituation. Beim Patienten im kritischen Zustand ist in der direkten Folge die Indikation zur schnellen Rettung (Rapid Extrication) aus dem Unfallfahrzeug gegeben.

Wie kann das Feuerwehrpersonal in der Ersteinschätzung einen kritischen Patienten erkennen?

Kennzeichen des kritischen Patienten:
(nicht alle Merkmale müssen immer zutreffen)

* besondere Unruhe
* eingetrübtes Bewusstsein
* der nicht ansprechbare Patient
* der Patient mit Atemnot
* eine massiv verlangsamte oder erhöhte Atemfrequenz
* der blasse, kaltschweißige Patient

Liegen ein oder mehrere der oben genannten Punkte vor, so ist die Indikation zur schnellen Rettung gegeben. Es muss von einem lebensbedrohlichen Zustand ausgegangen werden und eine Rettung aus dem Fahrzeug ist durchzuführen auch wenn noch kein Rettungsdienstpersonal vor Ort ist.

Eine Crashrettung mittels Rautek-Rettungsgriff, wie sie bisher praktiziert wurde, dh. eine Rettung ohne jeden Schutz des Patienten vor weiterer Manipulation, ist nur dann gestattet, wenn eine zusätzliche Gefährdung wie beispielsweise Brand- oder Explosionsgefahr im Raum steht.

Handelt es sich um einen nicht kritischen Patienten, so belassen sie den Patienten im Fahrzeug. Führen sie primär eine manuelle Stabilisierung der Halswirbelsäule durch und legen sie in weiter Folge eine HWS Schiene an.

Abbildung 3

Abbildung 4

Abbildung 5

Das Rettungsdienstpersonal soll in eine geeignete Technik zur patientenschonenden Rettung z.B. mit Hilfe des KED-Systems durchführen.

Führen Sie in beiden Fällen bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes Maßnahmen der Schockbekämpfung durch. Stillen Sie starke Blutungen, verabreichen Sie Sauerstoff (je nach Ausbildungsstand und lokalen Protokollen), sorgen Sie für Wärmeerhalt und eine psychische Betreuung des Patienten.

Rapid Extrication - Die schnelle Rettung aus dem Fahrzeug mit dem Spineboard

Einsatz des Spineboard und der Rettungsboa:

Die Rettungs-Boa ist einfach aus einem Leintuch herzustellen und kann Platz sparend transportiert werden. Im Einsatz ermöglicht die Rettungs-Boa eine schnelle und achsengerechte Verlagerung des Patienten auf ein bereitgestelltes Spineboard.

Gegenüber einer Crash Rettung mit dem Rautek-Rettungsgriff wird beim Einsatz der Boa der Oberkörper des Patienten nicht nach vorne gebeugt. Bessere Hebelkräfte verringern zudem die körperliche Belastung des Rettungsteams im Vergleich zu einer rein manuellen Methode, wie sie der Rautek-Griff darstellt.

Vorgehen Schritt für Schritt:

Als erstes nehmen Sie mit dem Verunglückten Kontakt auf und fordern ihn auf sich nicht zu bewegen. Ein weiterer Helfer begibt sich entweder auf die Rückbank hinter den Patienten oder auf den Beifahrersitz und stabilisiert manuell den Kopf des Patienten. – (Abb. 3, 4) Das Herausziehen der Kopfstütze erleichtert die Handhabung und schafft einen größeren Arbeitsbereich, ist aber kein Muss.

Der Helfer außerhalb des Fahrzeuges legt nun eine HWS-Schiene (Stifneck) an, so wie es auch am Lehrgang des Feuerwehr-Medizinischen-Dienstes des NÖ LFV gelehrt wird. – (Abb. 5)

Abbildung 3

Abbildung 4

Abbildung 5


Der Kopf wird im Anschluss wieder vom Retter im Fahrzeug entweder von hinten oder der Seite fixiert.

Nun wird die Rettungs-Boa angelegt, indem man die Mitte der Boa von vorne kommend um die zuvor angelegte HWS-Schiene des Patienten legt. – (Abb. 6)

Im nächsten Schritt werden die beiden Enden hinten gekreuzt und wieder nach vorne geführt. Eine Strangulation des Patienten ist entgegen häufig geäußerter Befürchtung nicht möglich. – (Abb. 7) Zuletzt werden nun die wieder nach vorne gebrachten Enden der Boa unter den Achseln nach hinten geführt und straff gezogen. – (Abb. 8)

Abbildung 6

Abbildung 7

Abbildung 8



Der Helfer auf der Rückbank kann nun die Kopffixierung aufheben und die beiden Enden der Boa straff übernehmen.

Nun wird das Spineboard in Stellung gebracht und seitlich zwischen Gesäß und Sitz geschoben. Das nun freie Ende des Spineboards wird auf der Fahrtrage des Rettungsdienstes aufgelegt oder alternativ von einem weiteren Helfer gehalten.

Die Enden der Boa dienen nun an der Patientenrückseite als „Griffe“, mit denen sich der Patient nun mit einem Sitz drehen und dann aus dem Fahrzeug retten lässt. – Abb. (11 – 13) Bei der Drehung ist auf eine exakte Koordination zwischen den beteiligten Helfern zu achten. Ein perfektes Zusammenspiel gewährleistet, dass Oberkörper, Becken und Beine des Patienten unter Beibehaltung einer achsengerechten Position gedreht werden.

Abbildung 11

Abbildung 12

Abbildung 13


Die Rettungstechnik mit Boa und Spineboard kann von zwei geübten Helfern in unter einer Minute durchgeführt werden.

Für die Feuerwehr ergeben sich drei mögliche Einsatzszenarien wenn es um die Rettung Verunfallter geht:

* Gefahr in Verzug – sofortige Crashrettung mittels Rautek-Rettungsgriff
* der kritische Patient – schnelle Rettung mittels Spineboard und Boa
* der NICHT kritische Patient – schonende Rettung mit Alternativen z.B. KED-System durch den Rettungsdienst

Bei Eintreffen des Rettungsdienstes sollte eine geordnete Übergabe des Patienten durch die Kräfte des Feuerwehr-Medizinischen-Dienstes erfolgen. Geben Sie alle gesetzten Maßnahmen und Veränderungen des Patientenzustandes weiter. (Abb 14)
Abbildung 14

Weitere Informationen finden Sie auch im Internet unter:
www.itrauma.at
www.phtls.at

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